SeminarBlog vom 25.11.09

Vom wem reden wir da eigentlich? Akteure im Quartier und Aspekte von Urban Governance

Unter dem Aspekt der Urban Governance haben sich die Teilnehmenden des Seminars im Rahmen eines Planspieles mit der Frage auseinandergesetzt: „Von wem reden wir da eigentlich?“ Im hier dargestellten Kontext soll der Begriff der Urban Governance uns behilflich sein, in Abgrenzung zu klassischen Formen der exekutiven Steuerung (Government) Prozesse und Systeme der gesellschaftlichen Steuerung in der Stadt (und insbeosndere im Quartier) zu begreifen, wie sie seit einigen Jahren auch im deutschen Raum (zum Beispiel im Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“) praktiziert werden. Hierbei ist die Beteiligung unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen bei der Ausgestaltung regional- und kommunalpolitischer Aufgaben jenseits der gewählten politischen Strukturen von besonderer Bedeutung. Die gleichgewichtige Beteiligung von Akteuren aus dem zivilgesellschaftlichen, dem wirtschaftlichen und dem politischadministrativen Raum – so die Annahme – führt dabei zu einer Übernahme des „problem-ownership“.

Das Planspiel „Das Gelände im Sonnenquartier“ sollte die Teilnehmenden in eine möglichst realistische Beteiligungssituation im Quartier versetzen: In der Form eines runden Tisches wurde über die Nachnutzung eines seit mehreren Jahren brach liegenden (fiktiven) Geländes verhandelt. Die Story: Der Bürgermeister des Stadtbezirks hatte in einer informellen Absprache einer großen Discountkette zugesagt, hier eine ihrer Filialen bauen zu können. Die Gefährdung der vielfältigen (teils nicht ganz legalen) Zwischennutzungen des knapp 3000 qm großen Geländes als grüne Fläche, Partyzone und für Nachbarschaftsfeste des Kiezes, rief bei Bekanntwerden der Pläne natürlich umgehenden Unmut der Bewohner des Quartiers hervor. So hatte der gewählte Quartiersbeirat gemeinsam mit einem externen Beratungsunternehmen die Aufgabe, zusammen mit Vertretern des Unternehmens, dem Bürgermeister, den Vertretern der lokalen Händler sowie drei verschiedenen Anwohnergruppen des Quartiers eine für alle akzeptable Nachnutzung des Geländes zu verhandeln.

Die Seminar-Teilnehmenden hatten keine Mühe, sich mit ihren Rollen zu identifizieren und mit Elan ihre Positionen zu vertreten. Die Herausforderungen bei einem solchen Verfahren wurden deshalb auch schnell deutlich: Die diversen am Tisch vertretenen Interessen schienen auf den ersten Blick nicht in einem Konsens münden zu können. Die Verhandlungsgeschicke und Kompromissbereitschaften einiger Akteure führten aber schließlich dazu, dass eine Einigung am Ende in Sicht war. So hat sich der Vertreter des Discounters auf eine kleinere Ladenfläche eingelassen und die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Gruppen haben eine Teilnutzung in ihrem Interesse seitens des Bürgermeisters zugesichert bekommen. Mit dem Arbeitsauftrag den Vorschlag in den jeweiligen Akteursgruppen zu diskutieren, wurde ein weiterer Termin des runden Tisches vereinbart.

Das Erkenntnisinteresse der Sitzung war es einerseits, die diversen Handlungsmotive der einzelnen Akteure auf der Quartiersebene besser zu verstehen und dies in einem gemeinsamen Gespräch wesentlich konkreter zu machen. Andererseits wurden hier auch Probleme einer derartigen Beteiligung besprochen:

  • Wer legitimiert die Akteure zur Entscheidungsfindung?
  • Nehmen sie sich tatsächlich dem Problem uneigennützig an, oder vertreten sie ausschließlich ihre eigenen Interessen (problem-ownership)?
  • Und: ist die Beteiligung nicht nur eine Auslagerung der Probleme, um die sich eigentlich die demokratisch legitimierten Institutionen kümmern müssten?

Autor*innen: SH, KR und SS